Am südlichen Münchner Stadtrand liegt ein riesiges Gelände, das nur locker mit ein paar großen Hallen bebaut ist: die Bavaria Studios. In Deutschland gibt es seit Beginn der Filmindustrie zwei maßgebliche Produktionsstandorte: die Ufa/DEFA-Studios in Berlin-Babelsberg und die Emelka/Bavaria Studios in München-Geiselgasteig. Mit der Teilung Deutschlands nach Ende des Zweiten Weltkriegs wurden die Münchner Studios zum Monopolisten der westdeutschen Filmwirtschaft. Bis heute konnten sich die ehemaligen DEFA-Studios in Babelsberg von der massiven Abwanderung der Filmindustrie nach München nicht restlos erholen.
Die Ursprünge der Bavaria gehen auf das Jahr 1919. Damals erwarb die Münchner Lichtspielkunst AG, später auch unter dem Namen Emelka bekannt, das Areal im Münchner Süden. Bereits 1925/26 drehte Alfred Hitchcock zwei Filme auf diesem Gelände. Durch das Aufkommen des Tonfilms geriet das Unternehmen in eine schwere Krise: es konnte die Tonumrüstung seiner Filmtheaterkette finanziell nicht verkraften. Durch den Nationalsozialismus wurden in den folgenden Jahren weltbekannte Mitarbeiter, wie etwa Max Ophüls, ins Ausland gedrängt. Ab 1932 ging das Unternehmen mehrmals in Konkurs, wurde 1937 gemeinsam mit der Ufa verstaatlicht und schließlich im Folgejahr unter dem Namen Bavaria Filmkunst GmbH als Bestandteil der nationalsozialistischen Unterhaltungsmaschinerie neu gegründet. Nach Kriegsende wurde das unbeschädigte Bavaria-Gelände zunächst der US Army unterstellt.
In den 50er Jahren konnten dann zahlreiche amerikanische und deutsche Filme gedreht werden. Klaus Kinski, Orson Wel-les, Elia Kazan, Gert Frobe, Gene Kelly, Gregory Peck, Douglas Fairbanks jr., Helmut Käutner, Stanley Kubrick, Kirk Douglas, Wolfgang Staudte, Maria Schell, Tony Curtis und Janet Leigh arbeiteten auf dem reprivatisierten Gelände. Schon in den 60er Jahren nahmen Fernsehproduktionen einen großen Teil des Auftragsvolumens ein — von Musicalshows bis zu Science Fiction Serien. Grund war der massenhafte Einzug des Fernsehers in die deutschen Wohnzimmer. Daneben entstanden große, internationale Kinoproduktionen, inszeniert von Regisseuren wie Billy Wilder, John Huston, John Sturges oder Ingmar Bergman. Bob Fosses in den Bavaria-Studios gedrehter Film “Cabaret” erhielt 1973 acht Oscars.
In den 60er und 70er Jahren formierten sich in Deutschland Autorenfilme zu einer als “Neuer Deutscher Film” bezeichneten Gegenbewegung zum restaurativen Unterhaltungsfilm und seinen kommerziellen Studiogroßproduktionen. Auch sie nutzten die Infrastruktur der Bavaria: Reinhard Hauff, Hans Jürgen Syberberg, Werner Herzog, Wim Wenders und viele andere drehten vor allem ihre Innenaufnahmen in Geiselgasteig. Rainer Werner Fassbinder inszenierte von 1975 an bis zu seinem Tod 1982 alle seine Filme auf dem 320.000 qm großen Gelände mit seinen drei Kulissenstraßen. Wolfgang Petersens Film “Das Boot” (1981) wurde zu einem der größten Erfolge des Studios.
Spiel- und Gewinnshows sowie Videoclips. Mitte der 90er Jahre begann sich die Auftragslage aufgrund des großen Programmbedarfs privater Fernsehsender wieder zu bessern. Seither setzt die Bavaria konsequent auf Fernsehproduktionen. Aufwendige Kinogroßproduktionen wie “Asterix und Obelix gegen Cäsar” von 1998 kommen seltener vor.
1999 wurde als neueste Halle Studio 12, das mit rund 3.000 qm größte Filmstudio Europas, gebaut. Für die ARD entstanden 2000 die fiktionalen Teile von Heinrich Breloers und Horst Königsteins “Die Manns — Ein Jahrhundertroman”.
Die Bavaria Film Gruppe beschäftigt heute etwa 4.000 Mitarbeiter und setzt jährlich über 200 Millionen Euro um. Ein Teil des Geländes kann besichtigt werden: die 90-minütige Führung der Bavaria-Filmtour ermöglicht einen Einblick in die Studios. Ergänzt wird dieses Angebot durch ein Showscan Kino (Erlebniskino mit bewegten Sitzen), eine Action Show (Stuntdemonstrationen) und das medienpädagogische Projekt “Das filmende Klassenzimmer”, bei dem Schulklassen und Jugendgruppen einen Tag lang selbst ein kurzes Video drehen.
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